Sie trotzen Widerstand, sie kämpfen um ihren Platz und schaffen so ihre Welt.

Meine Diplomarbeit ist Teil meiner Ausbildung zur diplomierten Journalistin am MAZ, dem Institut für Journalismus und Kommunikation. In meiner Vertiefungsrichtung Video habe ich zwei Protagonisten portraitiert. Anja Epp im männerdominierten Sport und Ljubi Pezer im frauendominierten Sport. Beide Teile ergeben einen Film.

Anja Epp – Ringerin

  • Alter: 18
  • Beruf: angehende Logistikerin
  • Lebensmotto: Ich verliere nie, entweder ich gewinne oder ich lerne!
  • Charaktereigenschaft: zielorientiert, zuverlässig
  • Lieblingsessen: Cordon bleu
  • Das mache ich sonst noch so: Skifahren, Fischen, Sport allgemein
  • Persönliches Ziel: Olympiasiegerin
Portrait von Ljubi-Pezer

Ljubi Pezer – Poledancer

  • Alter: 27
  • Beruf: angehender Architekt
  • Lebensmotto: ready geboren to perform!
  • Charaktereigenschaft: happy, liebevoll, optimistisch, kreativ
  • Lieblingsessen: SALAT
  • Das mache ich sonst noch so: Architektur studieren und Ikonen malen
  • Persönliches Ziel: humanitär aktiv sein als Architekt und Performer + eine eigene Show haben mit regelmässigen Auftritten.

Ljubi Pezer – Poledancer

– Wie alles begann...

Ljubi Pezer wuchs in Luzern auf. Seine Eltern kommen ursprünglich aus Bosnien. «Früher war ich ein Sportmuffel», so der heute 27-Jährige. In der Schule hatte er schlechte Sportnoten, Fussball übte keine Faszination aus und im Fitnesscenter fühlte er sich nicht wohl. Bis er vor ungefähr sieben Jahren im TV auf eine Sendung stiess…

Nach zahlreichen Trainingsstunden in anderen Poledancestudios erfüllt er sich vor knapp einem Jahr den Traum vom eigenen Studio in Horw. Der Grossteil seiner Kundschaft besteht aus Frauen.

Der Traum vom Strippen
Ljubi braucht hin und wieder einen Ausgleich zu seinen Poledancestunden. Deshalb tanzt er in Clubs und Bars. Unter dem Künstlernamen "Magic Ljubi" tritt er auf – ein Spitzname, den ihm seine Kameraden im Militär gaben. Der Name ist inspiriert von "Magic Mike", einem bekannten Stripper aus einem US-amerikanischen Film. Als Mann in dieser Szene erfolgreich zu sein und an Strip-Auftritte zu kommen, ist jedoch alles andere als selbstverständlich. Die Gelegenheit, ihn an eine Show in Kriens zu begleiten, habe ich mir nicht entgehen lassen.
Im Vegas Club in Kriens durfte er im Rahmen einer Diplomfeier auftreten. Ich wollte wissen, wie der Auftritt des 27-Jährigen beim Publikum ankam.

– Er tanzt im Nachtclub an der Stange

– Er im frauendominierten Sport

Aktuell ist man als Mann in der Poledanceszene mit vielen Herausforderungen konfrontiert, denn es gibt viel Gegenwind der Gesellschaft. Dies zeigt sich unter anderem aus seinem Umfeld, denn Ljubis Kollegen und auch seine Familie verhalten sich distanziert und äussern sich nicht zu seiner Leidenschaft.
Verhältnis von Frauen zu Männern im Poledance:
Statement: Geschäftsleitung tanzvereinigung-schweiz.ch

Der Grossteil der Poledancer in der Schweiz ist weiterhin weiblich, konkrete Zahlen fehlen aber. Es ist aber beobachtbar, dass Männer aktuell noch eine Minderheit in dieser Szene darstellen. Diese Dynamik könnte sich ändern, da die Popularität des Sports unter Männern wächst. Es zeigt sich, dass es in den letzten Jahren mehr Männer gibt, die sich trauen, diesen Tanzstil auszuprobieren – sei es aus sportlichen, künstlerischen oder persönlichen Gründen. Dennoch ist es oft noch ein Schritt aus der Komfortzone, da gewisse gesellschaftliche Vorurteile weiterhin bestehen.

Anja Epp – Ringerin

– Wie alles begann...

Die heute 18-jährige Anja Epp wuchs als jüngste von drei Kindern in Flüelen im Kanton Uri auf. Der Ringsport wurde ihr in die Wiege gelegt. Ihre zwei älteren Brüder ringen seit klein auf, ihr Vater ist ein langjähriges Mitglied der Ringerriege Schattdorf. Mit vier Jahren besuchte die kleine Anja zum ersten Mal das Training.

Aktuell trainiert Anja viermal die Woche in der Ringerriege Schattdorf. Auch heute noch gibt es Abende, an denen alle vier Familienmitglieder zusammen trainieren. Einmal die Woche trainiert sie zudem mit dem Schweizer Nationalkader. Sie ist eine von fünf Frauen, die diesem Kreis angehören. Zum Vergleich beträgt die Anzahl der Männer im Kader 40.

Die Frauenring-Szene in der Schweiz ist klein, weshalb die 18-Jährige im Inland häufig gegen Männer in den Ring muss. Ich hatte die Gelegenheit, sie zu einem Mannschaftsturnier in Horw zu begleiten. Vor Ort waren Vereine aus der ganzen Schweiz und Österreich. Anja und ihre weibliche Mannschaftskollegin waren die einzigen Teilnehmerinnen.

In der Schweiz sind aktuell 30 Sportlerlizenzen an Frauen vergeben :
Quelle: swisswrestling Verband

Für die Ringsaison 24/25 sind in der Schweiz etwa 30 Sportlerlizenzen an Frauen vergeben. Damit darf man an regionalen und nationalen Wettkämpfen teilnehmen. Insgesamt sind aktuell 993 Sportlerlizenzen vergeben.

In der Schweiz gehört der Ringsport zu den Randsportarten. Etwas einfacher habe es die Urnerin im Ausland. Regelmässig nimmt sie auch an internationalen Turnieren teil. Unter anderem in Schweden, Rumänien, Serbien oder gar in den USA. Da die Frauenringszene in diesen Ländern ausgeprägter ist, kämpfe sie im Ausland ausschliesslich gegen Frauen.
Sieg an einem Auslandturnier

– Sie kämpft im Ring gegen Männer

– Sie im männerdominierten Sport

Für die Mannschaftskollegen sei das heutzutage nichts Besonderes, Anja gegen Männer kämpfen zu sehen. Den Respekt habe sie sich in all den Jahren erarbeitet. Sich durchzusetzen sei aber nicht immer einfach gewesen. In ihren jungen Teenagerjahren wurde sie von den männlichen Kameraden oftmals ausgelacht, wenn sie gegen die Jungs im Ring verlor. Von Leuten, die nichts mit Ringen am Hut haben, erhält sie oftmals ein Stirnrunzeln als Reaktion auf ihre Leidenschaft.
Trotz des Widerstands lässt sich die 18-Jährige nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Nach ihrer Lehre zur Logistikerin, die sie im Sommer 2025 abschliesst, träumt sie von der ganz grossen Bühne:

Hier siehst du den ganzen Film

«Das sagt ein Experte aus der Sportdidaktik»

Raphael Willi ist Doktorand in Sportdidaktik an der Universität Basel. Er hat sich in diversen Forschungsarbeiten mit der Gender-Thematik im Sport auseinandergesetzt. Unter anderem mit Orientierungsmustern hinsichtlich Geschlecht im Sportunterricht.

Stereotypen sind Vereinfachungen einer komplexen Welt, die unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln beeinflussen. Einerseits geben sie uns Sicherheit und Orientierung. Andererseits schreiben sie Personen bestimmte Bedeutungen zu. In diesem Zusammenhang werden kulturell gewachsene geschlechtsdichotome Wertungen, die im Alltag oftmals mit unhinterfragten Privilegien und Benachteiligungen einhergehen, bestätigt. Dies kann man beispielsweise bei den Sportarten Fussball und Tanzen sehen, die eher dem männlichen respektive eher dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben werden.

Die Sportart Fussball wird von Mädchen und Frauen in der Schweiz mehr betrieben als früher, auch wenn der Fussball von Jungen und Männern deutlich mehr getätigt wird. Interessant ist es, dass es in den USA einen starken Kontrast gibt: Soccer, also Fussball, wird als eine Sportart wahrgenommen, die typischerweise von Mädchen und Frauen ausgeführt wird.  

Um sich die eigenen sportartbezogenen Stereotypen bewusst machen zu können, muss man dies in erster Linie wollen. Bereits zu Beginn in politische Diskussionen abzudriften ist nicht zielführend. Das heisst, man muss die eigenen Selbstverständlichkeiten möglichst situations- und kontextbezogen reflektieren. Das alltägliche, unhinterfragte Handeln soll dabei ins Zentrum gestellt werden und mit den Mitmenschen kritisch diskutiert werden.